Osterkerze 2017
Mit Gottes Hilfe - gemeinsam unterwegs
Als die Zeit für die Osterkerze reif wurde, hatte ich für dieses Jahr als Thema eigentlich das Reformationsjubiläum und das Verhältnis der Konfessionen in den Blick gefasst. Aber es hätte mich nicht befriedigt, das Thema an Personen (Martin Luther, Papst Franziskus usw.) festzumachen. Ich habe nach etwas gesucht, das sowohl positive Aspekte, als auch Spannungen veranschaulicht.
Die Politik lieferte mir leider eine Steilvorlage: Lassen wir eigentlich verschiedene Ansätze in der Lebens- und Denkweise um uns herum zu? Im schlimmsten Fall gehen wir mit Waffen aufeinander los, um unserem Standpunkt zum Durchbruch zu verhelfen.
Ein andere Vorgehensweise wäre Grenzen zu befestigen: Das konnten schon die alten Römer mit ihrem Limes und die Chinesen mit ihrer großen Mauer; Deutschland war durch ein solches Gebilde getrennt. Die Mauer in Bethlehem und die zwischen Nord- und Südkorea sprechen die gleiche Sprache. Und ist nicht wieder eine neue Mauer geplant, deren Kosten sogar noch der potentielle Feind tragen soll? Jeder behauptet, dass er sich vor etwas schützen muss: vor den Wilden, den Barbaren, den Kapitalisten, den Sozialschmarotzern.
Aber da gibt es noch so viele andere Mauern und Wände, die aus ganz anderem Baumaterial sind: Worte, die verletzen. Bemerkungen, die wehtun wollen. Äußerungen, die nur die eigene Meinung, den eigenen Glauben gelten lassen.
Und jetzt bin ich mitten auf der Osterkerze:
Graublaue Mauerwände stehen fast rings um die Kerze. Sie tragen Symbole für die verschiedenen Religionen und Konfessionen:
- für das Christentum verschiedene Kreuzformen (Tau und Orthodox) und andere Symbole wie das (Chi-Rho) Christussymbol, der Fisch und die Petrusschlüssel
- den siebenarmigen Leuchter, die Menorah, des Judentums
- Sichel und Stern für den Islam
- das Rad der Erkenntnis und das Om für Buddhismus und Hinduismus.
Manche Symbole müssen sich schon eine Wand teilen, weil so viele Wände nicht auf die Kerze gepasst hätten. Es wären noch sehr viele mehr möglich gewesen. Die Symbole sollen an die Zeichen erinnern, die Steinmetze in alten Kathedralen und Domen hinterlassen haben. Sie sagen: der Stein stammt von mir! Das habe ich gemacht! Ich garantiere dafür, dass diese Qualität hält! Für diesen Stein lasse ich mich bezahlen!
Vor und hinter diesen Wänden stehen menschliche Figuren. Sie haben kein Gesicht, sind geschlechtslos. In jeder dieser Figuren kann ich mich wiederfinden:
- Manchmal bin ich die braune Figur, die vor der Wand Haltung annimmt und ganz erstarrt alles hinnimmt.
- Manchmal bin ich wie die dunkelrote Figur wütend und schlage mit der Faust gegen die Mauer, weil sich einfach Nichts bewegt und ich nichts bewegen kann.
- Manchmal ist meine Aggression auch positiv wie bei der hellroten Figur: sie hilft mir Wände auch zur Seite zu schieben.
- Manchmal stehe ich resigniert vor der Wand wie die lila Figur: es tut sich ja doch nichts, ich bin machtlos.
Aber auch wenn man es nur schemenhaft sieht: Hinter der Mauer sind auch Menschen. Einer streckt zaghaft seine Hand um ein Mauerteil. Will er Kontakt aufnehmen? Ein anderer steht mit erhobenen Händen da: Will er sich ergeben oder nur freundlich winken? Ihnen fallen bestimmt noch viele andere Haltungen ein, wie Sie selbst auf eine solche Mauer reagieren würden.
Aber es fehlen ja noch zwei Personen. Mindestens ihre Farbe könnte Sie auf ihre Spur bringen: grün und ockergelb! Wenn wir auf das Hungertuch sehen, das uns seit der Fastenzeit begleitet, dann können wir die beiden wiederfinden. Das sind die zwei, die sich durch die Lücke in den Wänden auf Augenhöhe begegnen. Vertrauensvoll legen sie einander die Arme auf die Schultern. Du bist da und ich bin da und das ist gut so.
Durch die Lücke, durch die die beiden einander begegnen können, fällt das Licht, das von dem hellen Auferstehungskreuz ausgeht. Hat die Auferstehung diese Lücke geschaffen? Die ockergelbe Figur steht schon ganz in diesem Licht, die grüne hofft noch darauf. Aber das Licht der Auferstehung fällt auch auf die Mauern. Alle Mauerwände haben im oberen Teil etwas davon abbekommen. Ob sie wohl alle einmal von oben bis unten leuchten werden?
Wir können die Mauern nicht wegdiskutieren. Sie sind da. Aber wir könnten ja versuchen mit dem Baumaterial, mit dem man die Mauern immer höher bauen könnte – also mit den Steinen - etwas anderes tun. Beim Seniorennachmittag haben wir auf Steine unsere eigenen Steinmetzzeichen gemalt und sie zu Wegsteinen, Trittsteinen und Orientierungspunkten vielleicht auch im positiven Sinn zu Stolpersteinen auf einem Weg gemacht. Es gibt noch viel zu tun, damit Menschen gute Wege zueinander finden. Ich lade Sie dazu herzlich ein!
Angelika Kopp